*Viel Zeit ist ins Land gegangen...sehr viel Zeit. Und die Zeit bringt Veränderungen mit sich. Der Lauf der Dinge läßt sich nicht von den Wünschen der Menschen aufhalten oder beeinflussen. Man kann versuchen sich ihm entgegen zu stellen. Man kann versuchen sein Geschick zu verändern. Man kann versuchen die Räder zu drehen...doch sollte man nie die eigenen Grenzen aus dem Blick verlieren. Lange versuchte Malu den Tatsachen auszuweichen. Sie verschloß ihre Augen um dem Schmerz der Erkenntnis zu entkommen...sie hielt eine Hoffnung aufrecht, für die es nicht den geringsten Anlaß gab. Doch ihr Verstand ließ sich nur eine begrenzte Zeit betrügen. Sie war es leid, sich selber etwas vorzumachen. Sie war es leid, so zu tun als sei alles in Ordnung. Sie war es leid, darauf zu warten, dass sich Sparta erhebt und zu alter Stärke zurückfindet.
Der Sommer kündigt sich an...
Das Land ist grün, die Luft ist warm und klar und die ganze Schönheit der Natur entfaltet sich seit Tagen vor ihren Augen.
Als Malu diesen Morgen erwacht, trifft ihr erster Blick ihren Liebsten, der neben ihr liegt und bereits wach ist.
Hell flutet Sonnenschein in ihr Gemach.
Mit einem sanften Kuß wünscht Malu Hugh einen guten Morgen.
Doch sie ist unruhig und nichts kann sie mehr im Bett halten. Nach einem kurzen Aufenthalt im Bad schlendert sie durch den Palast. Sie versucht jeden Gedanken an frühere Zeiten zu verdrängen...und doch...sie kommt nicht mehr umhin zu erkennen, dass die Gemeinschaft Spartas ohne Zukunft und ohne Perspektive dahinvegitiert.
Malu holt sich eine Tasse Kaffee und geht in den Garten des Palastes. Während sie den Anblick der blühenden Pracht genießt, gehen ihr Gedanken durch den Sinn, die sie sich selber nicht zugetraut hätte. Sie hätte sich nie träumen lassen, all dies einmal hinter sich zu lassen. Sie hätte nie erwartet, müde zu werden...müde zu kämpfen...müde zu hoffen...müde etwas Gutes in den Veränderungen sehen zu wollen.
Malu setzt sich ins Gras und schaut in den Himmel. Sie spürt das Ungleichgewicht in ihrem Inneren. Sie spürt, dass sie ihre Gelassenheit verlieren wird mit jedem Tag, den sie verstreichen läßt ohne etwas zu unternehmen. In Gedanken geht sie ihre Optionen durch. Ihr ist klar, dass sie bisher vermieden hat, Hugh in ihre Überlegungen einzuweihen. Er hatte so hart dafür gekämpft ein guter Krieger zu werden. Und nun, da er seinen Zielen so nah ist, gibt es nichts mehr, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Malu fragt sich, ob Hugh diese Tatsache nicht ebenso bewußt ist wie ihr. Hatte er ihr Signale gesendet, die sie vielleicht nicht verstanden hat oder nicht verstehen wollte? Sie findet keine Antwort darauf, ihr Leben verlief diszipliniert und routiniert - nichts hatte darauf hingedeutet, dass Hugh unzufrieden oder gar unglücklich ist. Auch fällt es nicht leicht einen Schuldigen für die Situation zu finden, wahrscheinlich ist das auch gar nicht wichtig. Selbst wenn man jemanden oder etwas verantwortlich machen könnte - es würde nichts ändern; es würde noch nicht einmal helfen.
Es gilt sich zu stellen, es gilt die Abwesenheit von Klarheit und Ordnung aufzuheben und sich neu zu orientieren.
Malu schließt ihre Augen. Sie kann besser auf ihre innere Stimme hören, wenn sie alle äußeren Einflüsse ausblendet.
Eine Weile sitzt sie einfach nur so da. Es ist gar nicht so leicht die Gedanken zu ordnen, wenn das Herz blutet.
Und plötzlich ist alles still in ihr - nicht die beklemmende Stille, die Furcht mit sich bringt...es ist die Stille, die Raum gibt und Wege eröffnet.
Seit Malu ihren Fuß in dieses Land gesetzt hatte, war sie immer Teil einer Gemeinschaft. Und immer nahm sie die Verantwortung ernst, die damit einherging.
Nur selten war ihr diese Verantwortung eine Last...doch immer bestimmte sie ihr Denken und Handeln.
Sie schaut zum Palast herüber und ihr wird schlagartig klar, dass ihr Verantwortungsgefühl gar keinen Sinn mehr macht.
Dort im Palast gibt es nichts und niemanden mehr, der ihrer Anwesenheit bedurfte - mit Ausnahme von Hugh.
Kurz denkt sie an ihre letzte Begegnung mit Leonidas...sie kann sich kaum erinnern, wann sie ihn überhaupt das letzte Mal sah.
Ihr Treffen war belanglos für Sparta...und seine Abwesenheit blieb folgenlos für die Griechen.
Diese Erkenntnis raubt ihr für einen Augenblick den Atem. Um keine sentimentalen Gefühle aufkommen zu lassen, verbietet sich Malu jeden weiteren Gedanken in diese Richtung. Sie will ihren Blick nach vorne und nicht zurück richten.
Jetzt da sie zu begreifen beginnt, ist das Verständnis der Vergangenheit nur eine Krücke, die beim Gehen hilft.*
Es ist Zeit zu gehen.
*Malu spricht den Satz laut aus, gerade so als wolle sie ihm dadurch das Gewicht verleihen, das ihm gebührt.
Es hört sich noch nicht einmal seltsam oder unwirklich an sondern eher logisch und konsequent.
Ihr Herz wird nicht brechen, dessen ist Malu sich gewiß. Sie wird das Banner der Griechen mit sich nehmen und sollten sie ihrer Hilfe bedürfen, wird sie da sein.
Sie weiß genau, dass auch Hugh keinen Moment zögern wird. Wie er wohl reagieren wird, wenn er von Malus Absichten erfährt?
Malu beschließt sich keine Sorgen zu machen und auf ihr Gefühl zu vertrauen.
Sie hatten einander gesucht und gefunden und egal wie und wo, sie werden ihren Weg auch weiterhin gemeinsam gehen.
Wie einen wärmenden Umhang spürt Malu den Sonnenschein auf ihren Armen und auf ihrem Gesicht. Sie ist erleichtert und eine unerklärliche Vorfreude erfasst ihr Herz. Sie trinkt den letzten Schluck Kaffee und geht entschlossenen Schrittes zurück in den Palast. Ohne auch nur einer einzigen Menschenseele zu begegnen, erreicht sie ihr Gemach. Sie tritt ein und findet Hugh am Schreibtisch sitzend vor. Malu nimmt sich einen Stuhl und setzt sich neben ihn. Als er sie erstaunt ansieht, beginnt sie zu reden. Wie ein Wasserfall sprudeln die Worte von ihren Lippen...*