Wochenlang hatte die Kriegerin zurückgezogen im toten Wald verbracht. In der kleinen Holzhütte, die vor über einem Jahr von einer Gruppe gemeiner Pferdediebe bewohnt wurde. Keiner von ihnen hatte den Diebstahl ihres Rappen überlebt. Einige verloren ihren Kopf, anderen wurde "das Fell" über die Ohren gezogen.
Faith hatte diese Zeit immer wieder Revue passieren lassen.. auch die Zeit danach..
Und während ihr Alltag daraus bestand, zu jagen, sich um die Hütte zu kümmern und ihre Vergangenheit aufzuarbeiten, geschah noch etwas anderes.
Die Einsamkeit.. die Stille in diesem Waldabschnitt war es, die es ihr ermöglichte den einen Moment in ihr Gedächtnis zu rufen, an dem sich ALLES geändert hatte.
Und nachdem sie diesen Moment seit Tagen immer und immer wieder durchlebte, ist heute der Tag gekommen, an dem sie aufsteht und diesen Moment beenden wird.
Seit Wochen ist kein Wort über ihre Lippen gekommen. Kein Laut aus ihrer Kehle geronnen, selbst wenn sich eines der kleinen Äffchen in ihren Arm oder in ihr Bein verbissen hatte. Die Haare hatten schon lange keine Bürste mehr gesehen, hingen ihr inzwischen weit über die Schulter. Das kleine Bächlein, an dem sie sich und ihre Kleidung gewaschen hatte, diente zwar seinem Zweck, mehr aber auch nicht. Das Wasser war jeden Tag eiskalt.. ihre Haut war inzwischen rissig, gerötet.. Ihre Bluse hatte Löcher und ihre Lederhose war rau und spröde.
Das alles zählte für die Kriegerin nicht.
An diesem Tag ist sie vor dem Sonnenaufgang auf den Beinen.
Als erstes legt Faith die Decke auf dem Bett sorgfältig zusammen, ehe sie in ihre Kleidung schlüpft. Ihre Bewegungen sind ruhig und routiniert.
Wie jeden Tag legt sie ihren Waffengurt an, zurrt das Katana fest, versichert sich, dass das Chakram gut verstaut ist - dabei fahren ihre Finger liebevoll über die kleine Gravur.. Der Dolch wird zum Schluss in ihren Stiefel gesteckt, die Haare locker zusammen gebunden.
Während sie in Richtung Tür geht, fährt sie mit ihren linken Zeigefinger über den kleinen Tisch, der links neben dem Bett an der Wand steht. Sie rückt den Stuhl ordentlich an die Tischplatte, hält einen Moment inne.. schließt die Augen und atmet tief durch.
Dann scheint ein Ruck durch ihren Körper zu gehen. Sie öffnet die Augen und bewegt sich zügig zur Tür. Ohne zu zögern tritt sie ins Freie. Es ist noch dunkel und sie weiß, dass der Wald zu dieser Tageszeit ganz besonders gefährlich ist.
Doch sie hat ein Ziel - und nichts und niemand wird sie aufhalten..
Es sind die Mauern der "Seelenstadt", welche sie sucht. Und so wird die Kriegerin von der noch herrschenden Dunkelheit verschluckt..
Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Faith« (9. Februar 2013, 18:46)