Da es seit gefühlten vier Monaten nicht mehr geregnet hatte, bekam ich fast vor Freude einen Ausschlag, als es zum Ende der vierten Stunde von außen gegen die Scheiben des Hörsaals prasselte.
Fast alle um mich herum meckerten los, ich hingegen frohlockte und machte mich auf den Weg zur Mensa, die logischerweise recht voll war.
Kat winkte mir schon von weitem zu und ich schlängelte mich zwischen den gesichtslosen Massen hindurch und ließ mich auf den Platz zur Rechten meiner Freundin fallen.
Außer uns saßen noch die Zwillinge und Sabine am Tisch.
Die Mädels waren in Ordnung aber unsere Bekanntschaft beschränkte sich auf Kat als gemeinsame Freundin und ein paar Kurse, die wir zusammen hatten.
‚Und? War Daniel da?’
Warum fühlte ich mich mit dreiundzwanzig manchmal noch immer wie in einem Teeniefilm?
‚Ja.’
Ein wenig irritiert sah ich Sabine an, die auf ihre Frage anscheinend noch eine ausführlichere Antwort erwartete…
Sollte ich ihr jetzt erzählen auf welchen Koordinaten sein Sitzplatz lag? Oder dass er zwischen zehn und halb elf in der Nase gebohrt hatte?
Kein Witz, ich habs gesehen aber es war auch nicht spektakulärer als ein niesender Panda, daher hatte ich keine Beweisfotos geschossen…
Ich zog meine Wasserflasche aus meiner Tasche, lehnte mich zurück und schloss die Augen, während um mich herum das Lärmen und Rumrennen seinen Höhepunkt erreichte.
‚Ich hab ja gehört, Natalie hat ihn betrogen.’
‚Ich dachte er hätte was mit Caro gehabt.’
Großer Gott… bestand das Leben eigentlich nur aus dem Hin und Her zwischen Männern und Frauen? Darauf konnte ich echt verzichten.
‚Ach Mädels, ist doch egal, Hauptsache er hat als nächstes was mit mir.’
Ich schüttelte den Kopf und strich mir seufzend die Haare aus dem Gesicht. Kein Wunder das viele dachten Kat wäre oberflächlich.
Ein Trugschluss den sie wohl mit Absicht nicht auflöste…
‚Hi Lexi.’
Irritiert schlug ich die Augen auf und begegnete Roberts Blick.
Ich hatte ihn im Gewühl vermutlich übersehen, jedenfalls stand er mit einem Tablett neben unserem Tisch und wühlte mit einer Hand in seiner Hosentasche.
‚Hi. Was treibt dich denn her?’
‚Ich hab eine Sonderzustellung für dich…’
Er beförderte einen USB Stick zutage den ich sofort erkannte.
‚Cool, danke! Ich geb dir den Stick dann morgen oder übermorgen wieder.’
Robert lächelte und winkte ab.
‚Kein Problem, bis dann.’
Knapp, bündig, unkompliziert. Ich ließ den kleinen Gegenstand in meine Tasche rutschen und bemerkte erst dann die Stille am Tisch und dass ich anscheinend plötzlich zu den vom Aussterbenden bedrohten Arten gehörte, denn alle vier Mädels starrten mich mit (ich wage zu behaupten) sensationsgeilen Blicken an.
‚…Ein Pornofilm. Er hat mir letztens davon erzählt und ich wollte ihn mir ausleihen.’
Sabine sah ehrlich schockiert aus, die Zwillinge kannten meine Art mittlerweile und Kat schnaufte in ihren Tee und nahm dann einen Schluck.
‚Wieso seid ihr eigentlich nicht zusammen?’
Nun war ich es, die schockiert aussah.
‚Robert und ich?’
Eigentlich finde ich es dämlich, wenn ein Angesprochener eine einfach gestellte Frage wiederholt aber das haute mich einfach um. Ein absurder Gedanke…
‚Wie kommst du auf so was?’
Ich starrte Marie an und sie zuckte mit den Schultern.
‚Ich meine ja nur, er ist offensichtlich interessiert und ich finde er hat sich echt gemacht.’
Sofort klinkte sich ihre Schwester ein und nickte eifrig.
‚Ja er trägt bessere Klamotten und mit der neuen Frisur sieht er viel erwachsener aus.’
‚Und er hängt nicht mehr mit den ganzen Kiffern rum!’, ergänzte Sabine.
‚Wenn er jetzt noch ein bisschen mehr Muskeln hätte, wäre er glatt mein Typ!’
Oh Gott ich musste mir heute Morgen, als ich aus dem Bett gefallen war (nein, nicht metaphorisch!) das Genick gebrochen haben denn ich war definitiv in der Hölle!
‚Leute ich will nichts von Robert!’
‚Aber du kannst nicht leugnen dass er Interesse an dir hat.’
Sogar meine beste Freundin stellte sich gegen mich. Ein wenig gereizt schaute ich nun Kat an, die lächelte wie ein Engel während ich hilflos mit den Händen rumfuchtelte.
‚Ihr solltet aufhören, Haarspray zu inhalieren! Das ist Quatsch!’
Ich wurde bissig. Und Kat war die einzige, die sich davon nie abschrecken ließ.
‚Lexi… er schreibt Lieder für dich und er hat dich eben angesehen als wärst du der Mittelpunkt des Universums. Wir waren Luft.’
Welch Verbrechen…
‚Kat, er hat sich mit mir unterhalten. Gewöhnlich schauen sich Leute an wenn sie miteinander reden.’
Witzig das gerade ich das sagte… ich hatte damit nämlich meistens Probleme. Aber das stand hier ja gerade zum Glück nicht zur Debatte.
Meine hübsche Verräterfreundin zog nur vielsagend die Augenbrauen hoch und nahm noch einen Schluck Tee.
Ich hingegen stopfte meine Wasserflasche zurück in die Tasche und stand auf.
‚Wir sehen uns gleich in Literatur.’
Ich hob die Hand um mich der Form halber von den anderen drei zu verabschieden und wühlte mich zum Ausgang.
Aus irgendeinem Grund war ich sauer.
Dabei war es ja eigentlich keine große Sache, ich wusste ja dass zwischen Robert und mir nichts war außer Freundschaft. Warum also hatte mich das so auf die Palme gebracht?
Ich stapfte zu meinem Spind, riss schließlich die Tür auf und tauschte meine Unterlagen.
Als ich das kalte Metall dramatisch zudonnern wollte, fiel mein Blick wie jedes Mal auf das Foto.
Einen Moment hielt ich inne, dann steckte ich meinem Verflossenen die Zunge raus und knallte die Tür zu.
Cobra 11 stand nebenan und starrte mich entgeistert an.
Ich war in dem Moment zu aggressiv um schüchtern zu sein. Mein Blick glitt einmal an ihm runter und wieder hoch und ich keifte nur ein ‚Was?’.
Er grinste auf einmal und das brachte mich mehr durcheinander als eine garstige Antwort es je gekonnt hätte, also drehte ich mich um und ging.
Männer waren blöd…