Regen sah ihn abrupt an... sah in seine Augen... und las Dinge, die sie nie zuvor darin gelesen hatte... mit einem Mal sah sie einen weiteren Grund hier zu bleiben.
Verzweifelt sah sie ihn an. Ja, bis jetzt hatte es immer bedeutet, dass sie ging. Eine dunkle Wolke schob sich vor die Sonne.
Ich weiß es nicht sagte sie mit zittriger Stimme. Ein scharfer Windstoß riss an ihrem Kleid. Noch einmal blickte sie ihre Stute an.
Ich weiß es nicht... ich muss Nachdenken...
Regen wandte sich ab und ging mit gesenktem Kopf durch den Schnee... dorthin, wo es sie schon lange hinzog.
Sie ging die Reihen der Grabsteine entlang, bis sie schließlich ihr Ziel fand und setzte sich wie damals neben das Grab.
In Gedanken versunken zeichnete sie mit dem Finger die Buchstaben auf dem Grabstein nach
P A D A V I S - V I T A L I S ... was für ein schöner Name.
Lange saß sie so da – die Stunden vergingen...
Regen hatte auf sein Grab in den Schnee ein Herz gezeichnet, in welches sie R + P geschrieben hatte.
Die weiße Stute setzte sich neben Regen in den Schnee – um ihr Beistand zu leisten. Regen seufzte... ja, von Schicksal verstand sie nur wenig... oder von Bestimmung.
Es war nicht, als würde sie Abschied nehmen... schließlich war er in ihren Träumen.
Sie würde ihn wiedersehen. Er hatte es versprochen.
Er hatte versprochen sie immer zu beschützen. Immer da zu sein.
Als Regen zum Kloster zurückkehrte folgte ihre Stute ihr und blieb schließlich wartend davor stehen. In ihrem Zimmer angekommen überkam Regen mit einem Mal eine Wut.
Sie konnte nicht hier weg. Das ging nicht.
Sie zerrte den Stofffetzen von Padavis´ Ärmel unter ihrem Kleid hervor und warf es wütend ins Feuer.
DU HAST ES VERSPROCHEN! Schrie sie unter Tränen.
Der Wind pfiff durch das Gemäuer dicke Schneeflocken peitschten gegen das Fenster. Ihre Verzweiflung hatte sich in einen Schneesturm verwandelt.
Der Stofffetzen verbrannte, sodass nichts mehr von ihm übrig war.
Schließlich nahm sie all ihren Mut zusammen, zog ihre alte Kleidung hervor und legte ihr neues Kleid neben den Kamin.
Dann ging sie hinunter in die Küche. Sie brachte all ihre letzte Kraft auf und schrieb einen langen Brief an Faeres.
Das Papier, welches mit einer schönen Schrift beschrieben war hinterließ sie ihm auf dem Tisch.
Einsam und allein lag er da. Nur einige Worte auf Papier. Viele Worte. In denen ausgedrückt wurde, was zu sagen so schwer ist.
Sie warf einen letzen Blick auf den Brief auf dem Tisch, dann ging sie.
Eine seltsame Ruhe überkam Regen – wie als würde sie gar nichts mehr fühlen.
Nichts. Ruhe. Gelassenheit. Genauso ruhig war das Wetter. Es stürmte nicht.
Ihre Stute wartete wissend vor der Tür. Eine Weile gingen sie neben einander her.
Die Sonne war bereits am Untergehen – so lange hatte sie sich Gedanken gemacht.
Ein letztes Mal drehte sie sich um und blickte zurück, dann kletterte sie auf den Rücken ihrer Stute und lies sich von ihr tragen – wohin sie das Schicksal nun führte.
Regens Träume kehrten nicht
wieder.
Einige Tage würde es keine besonderen Wetterereignisse im Kloster geben – bis es den natürlichen Vorkommnissen in der Natur wieder gleichen würde. Vielleicht würde die Sonne scheinen, vielleicht wäre es bewölkt, vielleicht würde ein Wind wehen... und vielleicht, wie als Andenken, würde es auch einmal regnen.
Die Jahreszeiten würden wieder ins Gleichgewicht kommen. Vielleicht war gerade Frühling und alles würde beginnen von neuem zu erwachen... vielleicht war ja auch Sommer – Wärme zurück an diesen kalten Ort... vielleicht war auch Herbst... alles am Vergehen... oder es war Winter... unberührt... unschuldig... rein...
Doch ein einzelner Windstoß, so wollte es das Schicksal, fuhr durch die Luft... und gerade dieser Wind stieß ein Fenster auf... eben gerade das Küchenfenster... und der Windstoß trug ein Papier in die Luft... lies es herumwirbeln... das Papier strudelte... bis es sachte niedersank... eben genau in das Kaminfeuer der Küche...
Die Worte dieses Briefes würde Faeres nie erfahren.