Die kalten Fließen weckten mich schließlich auf.
Ich lag alle Viere von mir gestreckt auf den harten Boden meines Badezimmers und blinzelte in die Helligkeit,
die durchs kleine Fenster hineinströmte. Mein Schädel tat weh und mein Rücken schloss sich dem an.
Nach einer Weile schaffte ich es aufzustehen und mich in die Küche zu schleppen, wo ich mir erstmal einen ordentlichen Kaffee machen wollte.
Der Geruch der heißen Bohne ließen meine Sinne nun auch wach werden.
Ich nahm die volle Kanne um mir was einzuschenken, dabei fiel mein Blick auf die Kacheln,
die immer noch blutverschmiert waren. Die Kanne rutsche mir aus der Hand und das schwarze Gebräu
vermischte sich mit dem Blut auf der Erde zu einem grotesken Gemälde,
welches heutzutage wohl als moderne Kunst in irgendein Museum hängen würde.
Plötzlich war ich kein bisschen mehr schläfrig, denn nicht nur verschmiertes Blut hing an den Kacheln
sondern jetzt erkannte ich vereinzelte auch Buchstaben und dann traf es mich wie ein Blitz.
Die Buchstaben bildeten einen Satz, der jetzt leuchtend vor meinen Augen stand.
„Vergiss nicht“ prangte dort und versetzte mir einen Schlag in den Magen.
Es war also doch kein Traum, das war echt. Was konnte ich jetzt tun?
Vor lauter Panik griff ich zum Telefon und rief die Polizei. Ich schilderte ihnen meinen Fall,
doch vereinzelt vernahm ich sogar Gelächter von anderen Mitarbeitern im Hintergrund.
Die Dame am anderen Ende der Leitung wollte sogar wissen, wie viel ich gestern Abend getrunken hatte.
Ich seufzte und legte auf. „Niemand wird mir glauben. Ich weiß ja noch nicht mal ob ich mir selber glauben kann.
Vielleicht werde ich ja auch allmählig verrückt. Oder es war der Stress aufgrund des anspruchsvollen Studiums.
Ja, das musste es sein. Ich sollte vielleicht einen Arzt aufsuchen“, redete ich mir selber ein.
Ich schaltete wieder meinen Laptop an und durchsuchte das Net nach „Psychodoktoren“ in meiner Nähe.
Doch eine innere Stimme wies mich an nach etwas ganz anderem zu suchen und so huschten meine Finger wie selbstständig über die Tastatur.
Ich ging wieder ins Archiv der lokalen Zeitung und durchstöberte einige Artikel.
Ich gab Goethestraße als Suchbegriff ein und tatsächlich lieferte es mir 10 Artikel.
Doch als ich sie mir ansehen wollte, sagte mir ein neugeöffnetes Fenster, dass ich mich dafür registrieren und bezahlen müsste,
wenn ich es mir ansehen wollte. Die Freischaltung würde nach der Bezahlung aktiviert.
Na Danke, dachte ich und schaltete den Laptop wieder aus.
Dann kam mir eine Idee…
„Tim, du musst mir helfen.“ Schwer atmend und mit verwuschelten Haaren
stand ich vor der Tür eines Mitstudenten und trommelte wie wild dagegen.
Er schien im Gegensatz zu mir wirklich einen im Karren zu haben und so kam sein Gehirn auch nur langsam in Gang,
als er schließlich die Tür öffnete.
„Wer ist da?“
Ich zeigte an mir runter. „Daniel.“
„Daniel? Bist du das?“
„Ja“, antwortete ich gehetzt. „Lass mich rein ich muss dich um einen riesigen Gefallen bitten.“
„Alter, heut‘ ist Sonntag, hetzt dich doch nicht so ab…“
„Bitte, es ist wirklich wichtig.“Ich stempte mit eine Hand die Tür, falls er sich dazu entschloss mich abzuwimmeln.
„Na schön na schön, dann komm rein.“ Er ließ die Tür offen stehen und schlurfte durch die Wohnung und verschwand dann im Bad.
Großartig, sagte ich zu mir jetzt schon deutlich genervter. Ich schloss die Tür hinter mir und kämpfte mich zum Wohnzimmer vor.
Überall lagen Flaschen und Müll von der Party gestern Nacht. Ich setzte mich also aufs Sofa und wartete bis Tim,
hoffentlich etwas frischer, aus dem Bad erschien.
Eine halbe Stunde war nun schon vergangen und so langsam wurde ich unruhig.
Ich ging zur Tür und lauschte ob sich irgendetwas im Bad tat…Nichts.
Ich rief mehrmals nach ihm, dass er die Tür aufmachen sollte, doch nichts geschah.
Die Erinnerung an letzte Nacht kam mir wieder zu Bewusstsein. Er wird doch nicht…
Vollgepumpt mit Adrenalin und Angst schmiss ich mich einmal kräftig gegen die Badezimmertür,
die nur einmal kurz laut erschüttert wurde und mich dann auf eine Art anlächelte, die man fast schon schadenfroh nennen konnte.
In den Filmen sah es immer so einfach aus. Erneut wiederholte ich den Vorgang mit demselben Ergebnis
und dazu tat mir die Schulter weh. Ich verfiel in meine Panik wie so oft in letzter Zeit. Was soll ich tun?
Wieder die Polizei rufen? Aber dann lachen die mich nur wieder aus und…
„Hey Alter!“
Ruckartig wandte ich mich zu der Stimme und erkannte Tim. Lebend…aber immernoch unrasiert und verkatert.
„Wenn du pinkeln musst, sag doch einfach Bescheid.“
„Be…Bescheid?“, stotterte ich ihm entgegen. Der hatte Nerven.
„Was um alles in der Welt hast du darin getan?“
Er zuckte nur die Achseln und kratzte sich einmal am Hintern.
„Bin wohl eingepennt. Mach doch nicht so ein Drama draus. Du redest schon wie meine Ex.“
Ungläubig sah ich ihn an und verstand die Welt nun gar nicht mehr nicht mehr. Wollte dieser Kerl
später wirklich mal Anwalt werden? Ich schüttelte nur den Kopf und wandte mich wieder dem eigentlichen Thema zu.
„Ähm, du arbeitest doch in der Bibliothek?“
„Jaaaaa.“ Er zog dabei das Wort verschwörerisch in die Länge.
„Dort hast du doch auch Zugriff auf verschiedene Zeitungsarchive.“
„Jaaaaaa.“
„Und du kommst dort umsonst rein?“
„Sicher, ich hab ja meine Mitarbeiterkarte.“
Vor ihm ging ich auf und ab um mein Anliegen richtig dazustellen bzw. um mir was auszudenken.
„Also…hmm. Könnte ich für eine Stunde in das Zeitungsarchiv? Ich muss was…recherschieren für eine…Projektarbeit.
Ja genau eine Projektarbeit,“ fragte ich ihn, wobei ich wohl ziemlich falsch gegrinst haben muss.
Er sah mich total verblödet an. „Und deshalb kommst du sonntagsfrüh hierher?“
„Äh..ja! Hör zu, es ist wirklich dringend. Du hast auch was gut bei mir.“
Er knirschte kurz mit den Zähnen und dachte über meine Bitte nach.
„Na schön. Gleich morgen. Ich habe von 17 – 19 Uhr alleinige Aufsicht,
dann bring ich dich ins Archiv, aber wehe du macht dort krumme Dinger,“
dabei versuchte er mir mit seinem Finger zu drohen. Blöder Ar.sch.
„Nein, ehrlich nicht. Ich schulde dir was. Danke!“, sagte ich erleichtert und verschwand eiligst von dort…