Verzweiflung und Angst nach dem Mega-Erdbeben
Freitag 11.03.2011, 22:10
Reuters
Störfall in japanischem AKW: Behörden evakuieren Tausende Anwohner
Beim schwersten Erdbeben in
Japans Geschichte und einem verheerenden Tsunami sind wahrscheinlich
mehr als 1000 Menschen ums Leben gekommen. Derweil wächst die Angst vor
vor einem atomaren Zwischenfall: In einem Reaktor des Atomkraftwerks
Fukushima Daiichi steigt der Druck im Reaktor.
Das Beben der Stärke 8,8 bis 8,9 löste am Freitag
eine bis zu zehn Meter hohe Flutwelle aus, die im Nordosten der
Hauptinsel Honshu Häuser, Schiffe und zwei Züge fortschwemmte. Bei dem
Beben wurde das Kühlsystem eines Atomreaktors beschädigt, die Regierung
rief den atomaren Notstand aus.
Nach Angaben der
Nachrichtenagentur Kyodo stieg die Opferzahl „von Minute zu Minute“.
Laut Polizei gab es mehr als 350 bestätigte Todesopfer, knapp 550
Menschen wurden vermisst und 800 weitere verletzt. Allein in der von
einer zehn Meter hohen Flutwelle überschwemmten Stadt Sendai seien 200
bis 300 Leichen an einem Strand gefunden worden. 1200 Häuser wurden in
Sendai, der Hauptstadt der am stärksten betroffenen Präfektur Miyagi im
Nordosten von Honshu, zerstört. Die Bewohner mussten die Nacht ohne
Wasser und Strom verbringen.
Drohende Kernschmelze
Vor
der Küste Miyagis riss die Flutwelle ein Schiff mit etwa 100 Menschen an
Bord mit. Nach Angaben von Kyodo und Jiji verschwanden in der Region
zudem zwei Züge mit einer unbekannten Zahl an Fahrgästen, nachdem sie
von der Flutwelle erfasst worden waren. In der Stadt Ofunato wurden mehr
als 300 Häuser zerstört, in der Provinz Fukushima durchbrach die
Flutwelle einen Damm und schwemmte mehrere Häuser fort.
Die
Regierung rief den atomaren Notstand aus. Insgesamt elf der 55 Reaktoren
des Landes schalteten sich nach dem Beben automatisch ab. Um das
Atomkraftwerk Fukushima Daiichi im Norden Tokios wurden 6000 Anwohner in
Sicherheit gebracht, nachdem
das Kühlsystem eines Reaktors beschädigt worden war.
Die Betreiberfirma erklärte in der Nacht, der Druck in einem Reaktor
sei beunruhigend hoch. Nach Angaben der Regierung wurde erwogen, Dampf
abzulassen. Dabei könnte auch Radioaktivität austreten. Im schlimmsten
Fall droht eine Kernschmelze. Der Druck könnte das 2,1-fache dessen
überstiegen haben, wofür das Turbinengebäude ausgelegt ist. Zuvor war
die Überlastung mit einem Wert von 1,5 angegeben worden.
Großbrand in Chemiefabrik
Ein
Großbrand wurde aus einer petrochemischen Fabrik in Sendai und einer
Ölraffinerie im Großraum Tokio gemeldet. Die Erschütterungen waren auch
in Tokio deutlich zu spüren. Die erdbebensicheren Wolkenkratzer
schwankten nach dem Beben minutenlang. In weiten Teilen des Landes wurde
der Flug- und Zugverkehr eingestellt, in Tokio auch der U-Bahn-Verkehr.
Millionen Pendler steckten in der Stadt fest, Straßen waren verstopft
und Hotels ausgebucht. Landesweit fiel in acht Millionen Haushalten der
Strom aus.
Das Epizentrum des Bebens lag etwa 382 Kilometer
nordöstlich von Tokio 100 Kilometer vor der Küste. Nach Angaben der
US-Erdbebenwarte ereignete es sich um 14.46 Uhr Ortszeit in einer Tiefe
von 24,4 Kilometern. Die US-Stelle sprach von einer Stärke von 8,9, das
japanische Meteorologieamt von 8,8. Beide Stellen erklärten, es handle
sich weltweit um das fünftstärkste Erdbeben seit 1900 und das stärkste
in der Geschichte Japans. Anschließend erschütterten mehr als 60
Nachbeben das Land.