Marie lässt ihre Irritation schnell fallen und wandte ihre Aufmerksamkeit ihrem Begleiter zu
"Es wäre mir ein Vergnügen", erwiederte Marie mit einem Lächeln und hakte sich dann aber doch ein wenig zögerlich bei Phillippe unter. Dass er in die andere Richtung wollte, wollte ihr gar nicht gefallen. Es war ein langes Stück Weg durch gepflegten Wald. Manche Teile bildeten verwachsene Buchten, die kaum einsichtig waren. Meist waren diese jedoch außerhalb der Sehweite des Weges. Die schönsten Orte in diesem Garten waren ihrer Meinung sowieso nur querfeldein zu erreichen. Auf den normalen Weg sah man nur einen Bruchteil des Sehenswerten.
Marie nimmt jedoch die vorgegebene Richtung auf. Es gab keine Gagelungen oder dergleichen. Man wollte nicht, dass sich Fremde hier verliefen. Es gab nur zwei Zugänge zu den Wegen. Einer von den Gärten hinter dem Haus aus, der andere führte, je nachdem welchem Weg man folgte zu den Hauptwegen die zu dem Zufahrtsweg zum Eingang schließlich führten.
"Das Grundstück hier ist schon seit langer Zeit im Familienbesitz aber erst seit knapp 200Jahren lebt meine Familie hier.", erklärt Marie einleitend zu seiner Bitte. "Und seit dem wird hier auch aktiv die Gartenanlage gestalltet. Euch mag es vielleicht verwildert erscheinen zum Großteil dies ist so gewollt. Daher ist es auch immer schwierig mit den Gärtnern...Die meisten wollen die Natur so hinbiegen wie es ihnen in den Sinn kommt, aber warum sollte man dies lenken wollen. Es ist wunderschön so wie es ist", Marie gerät ins schwärmen und lässt Phillippes Arm los um ein paar Schritte vorauszutänzeln und sich mit ausgestreckten Armen um sich selbst zu drehen. Ihr langs schwarzes Haar gerät bei der Aktion jedoch bedauerlicherweise in gewisse Unornung als sie aufhört sich zu drehen. "Ich liebe diesen Garten, wie jeden Frühling das junge Grün an den Bäumen erstrahlt und die Lichtungen in der Farbenpracht der Blüten leuchten. All die Farben, die Düfte, die lieblichen Geräusche erwachenden Lebens. Könnt ihr euch vorstellen wie es ist nach den langen toten Monaten des Winters endlich wieder das Leben zu sehen. Es ist erstaunlich welche Wunder die Natur vollbringen kann. Sie ist voll von Magie, gerade wenn man sich tief in ihre Eingweide vorwagt. Sie vollständig zähmen zu wollen käme einem Verbrechen gleich".
Ihr kommt ein Lied in den Sinn und sie achtet schon kaum mehr darauf, dass Phillippe da ist als sie die ersten Takt vor sich hinsummt und schließlich hell und klar singt.
Hell stand der Mond hoch über dem Pfad,
als die Frau aus dem Dorf ihren Heimweg antrat.
Die Zahl der Meilen vor ihr machte das Herz ihr kalt,
und so kam sie vorbei am verzauberten Wald.
?Wenn ich folge dem Pfad, der dort schwindet im Licht,
dann bin ich im Dorf, eh der Morgen anbricht.
Ach, es sind nur Geschichten, wie die Steine so alt!?
sprach sie und trat in den verzauberten Wald.
Nebel und Licht, und Stimmen im Wind,
die locken und rufen und sonderbar sind.
Hüte Dich, Wanderer, weiche, gib Acht!
Und betritt nicht den Wald der Zauber bei Nacht.
Nach kaum hundert Schritt schloss sich um sie der Wald.
Wo kam sie her? Wo ging sie hin? Sie verirrte sich bald.
Vom Pfad aus geseh?n schien der Weg doch so klar!
Wie kam es, dass alles nun sonderbar war?
Sie fand nicht zurück und sie folgte dem Licht voraus in den Bäumen,
sie erreichte es nicht.
Mit jedem Schritt, den sie tat, wich es gleichsam zurück,
und führte sie fort, durch den Wald Stück um Stück.
Nebel und Licht, und Stimmen im Wind.
die locken und rufen und sonderbar sind.
Hüte Dich, Wanderer, weiche, gib Acht!
Und betritt nicht den Wald der Zauber bei Nacht.
Dann hört sie Musik aus den Bäumen, den Höh´n,
sie blickt starr auf das Licht, sie wollte nichts seh´n.
Der Klang war so fremd, dass das Herz ihr schier brach,
doch sie wäre verlor´n, gäb dem Locken sie nach.
Jemand rief ihren Namen, eine Stimme, so schön,
bat sie zu ihm zu kommen, kaum konnt sie widersteh´n.
Komm, ich bringe Dir Liebe und Schönheit und Glück!?
Nein, denn wenn ich Dir folge, kehr? ich nie mehr zurück!?
Nebel und Licht, und Stimmen im Wind,
die locken und rufen und sonderbar sind.
Hüte Dich, Wanderer, weiche, gib Acht!
Und betritt nicht den Wald der Zauber bei Nacht.
Aus Nebeln und Schatten trat eine Gestalt, mondweiß und schön,
die dunklen Augen uralt.
Komm, Menschenfrau, lieg bei mir diese Nacht,
ich zeig Dir Zauber und Träume bis der Morgen erwacht.
Ein Kuss Deiner Lippen kostet mich wohl ein Jahr,
die Nacht in Deinem Arm macht weiß mir das Haar.
Fee, Troll und Elf treibt mit uns nur sein Spiel;
las mich geh´n, guter Geist, weil leben ich will!?
Nebel und Licht, und Stimmen im Wind,
die locken und rufen und sonderbar sind.
Hüte Dich, Wanderer, weiche, gib Acht!
Und betritt nicht den Wald der Zauber bei Nacht.
Sie wehrt sich nicht mehr, als er zieht sie heran,
schon vergessen, versunken, verloren im Bann.
Als seine Lippen sich nähern, ist die Welt ihr schon weit;
der schöne Tod ist ein Zauber, fern von Raum und von Zeit.
Tief stand der Mond nun über dem Wald,
nah war der Tag, die Tauluft eiskalt.
Tief in Feenarm lag still die Menschenfrau;
die Nacht wich zurück und der Himmel wurd´ grau...
Nebel und Licht, und Stimmen im Wind,
die locken und rufen und sonderbar sind.
Hüte Dich, Wanderer, weiche, gib Acht!
Und betritt nicht den Wald der Zauber bei Nacht.
So fiel das erste Licht auf das Laub von den Höh´n,
wo für die Frau aus dem Dorf rasch die Jahre vergeh?n.
In dem Strahl wird der Fremde zu Rauch und zu Licht,
lässt bleich und schwach sie zurück, doch tötet sie nicht.
Hell stand der Tagstern nun über dem Pfad,
als die Frau aus dem Dorf aus dem Wald heraustrat.
Das Haar weiß wie Schnee, marmorbleich auch die Haut,
von dem Zauber des Waldes, der die Zeit ihr geraubt.
Nebel und Licht, und Stimmen im Wind,
die locken und rufen und sonderbar sind.
Hüte Dich, Wanderer, weiche, gib Acht!
Und betritt nicht den Wald der Zauber bei Nacht.