Es war nicht fair. Es war einfach nicht fair - warum sollte sie alles haben, was ich wollte? Und mehr noch, was ich niemals - NIEMALS - würde haben können?! Ich versuchte, an etwas anderes zu denken - wie so oft wenn ich von Neid und Hass auf Gemima überkommen wurde - aber es half nichts. Stattdessen ließ ich meine Wut an dem Teigklumpen aus, den ich gerade bearbeitete.
Ja, Gemimas Gesicht hätte das sein müssen, ich hätt es noch mehr zerknetet und verdroschen.
So ist's gut, mein Sohn! mein Vater klatschte seine große Hand - er hatte nur noch eine - auf meine Schulter. Mich durchfuhr ein Schlag beim letzten Wort. Kurz hielt ich inne, heiße Wut gemischt mit Trauer brodelten in mir hoch und fast hätte ich meine Fassung verloren, doch ich konnte sie behalten. Ich bin stark. Ich hörte seine Schritte an das andere Ende des Raumes gehen, dort, wo der große Ofen war und ließ den Kopf kurz sinken.
Es war so unfair. Eigentlich hasste ich Gemima nicht. Ich wusste nicht, was es war. Gleichzeitig vergötterte ich sie, wollte so sein wie sie, aber jedes mal wenn ich sie sah, wollte ich sie am Liebsten umbringen. Sie, mit ihrer kleinen Nase und dem süßen Lächeln, der hellen Stimme und dem goldenen Haar.
Aber nein ... mich hatten die Götter entschieden als der Sohn des Bäckers leben zu lassen. Ich war ein Junge, ich hatte mich als solcher zu verhalten. Ich sollte einmal ein Mann werden und in die Stadtwache eintreten. Alles selbstverliebte Idioten ...
Und nicht nur das, ich wurde auch jeden Tag daran erinnert. Siehst du diesen Levius Marcus, Sohn? Ja, Vater ich sehe ihn, ich schaue ihn immer an, wenn er nicht herguckt. Ich liebe es ihn anzuschauen ...
So sollst du auch einmal sein! Ja, Vater. sagte ich leise.
Das war damals als wir einen Karren Brot in die Kaserne brachten. Mein Vater wäre so stolz auf mich gewesen. Ich hasste mich selbst, dass ich so eine Enttäuschung war.
Dabei ahnte er es ja nicht einmal. Er war zufrieden damit, einen Sohn in die Welt gesetzt zu haben. Den Göttern sei Dank ein männlicher Nachkomme! Leider hatte meine Mutter nur ein paar Tage darauf das Zeitliche gesegnet aber den Göttern sein Dank ein Junge! Schwachsinn. Ein großartiger Junge war ich geworden. Ich wusste ja nicht einmal, wie ich das hätte sein sollen.
Dabei versuchte ich wirklich den Anforderungen gerecht zu werden. Der Druck, irgendeine kämpferische Fähigkeit zu erklernen wurde so groß, dass ich mich entschied, Bogenschießen zu üben. Ich tat es alleine im Wald; in der Kaserne waren mir zu viele Trottel. Ich hatte auch versucht, der Schweinehirtentochter Sara den Hof zu machen. Ziemlich erfolglos, was mich nicht sehr traurig machte. Wenigstens dachte mein Vater ich hätte mir Mühe gemacht.
Aber jeden Tag zu sehen, wie glücklich die Wirtstochter Gemima war, und dabei jeden Tag selbst so traurig zu sein ... es war nicht zum Aushalten!
Ich atmete tief ein und konzentrierte mich auf den restlichen Teig.
Wenn einmal das Dorf erwachen würde, dann wäre alles schon fertig in Vaters Bäckerei. Brote, Brötchen, Süßwaren und sonstiges Teigzeug, wurden dort gegen Kleidung und andere Lebensmittel getauscht. Geld kannte ich damals nicht. Viel hat sich seit dieser Zeit verändert ...
Vater, ich geh in den Wald, Bogenschießen.
Hm ... kam die Antwort. Es war später Nachmittag. Ich hatte schon das Holz gehackt und die Stuben gekehrt. Ich schloss leise die Tür zur Backstube und machte mich auf den Weg. Die Sonne schien warm auf mein Gesicht, wie um mich aufzumuntern und ich versuchte zu lächeln. Ich finde nicht, dass man immer die schlechten Dinge im Leben sehen sollte, aber ich will sie auch nicht immer vorgehalten bekommen.
Der kleine Pfad führte weg vom Dorf über die Weiden in Richtung Wald. Eine kleine Brücke überquerte den kleinen Bach, der uns als Wasserquelle diente... Die Bretter quietschten jedes mal, wenn man sie betrat.
Als ich an dem Tag in den Wald ging, überkam mich eine tiefe Ruhe. Ich liebe den Wald. Nur dort fühle ich mich wirklich wohl, weg von den Menschen mit ihren Erwartungen, und Wünschen ... Nur hier konnte ich ich selbst sein... Tiefer in den Wald hinein ging ich, bis ich an meiner eigenen persönlichen Stelle angekommen war. Ein großer Baum mit einer eingeritzen Zielscheibe und etlichen Kratzern und Schrammen... Mein Platz der Ruhe.
Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »AngelsShadow« (16. November 2012, 19:50)