Sie folgten eine Zeitlang schweigend dem Lauf des Feldwegs, als Ekarius bemerkte: “Ich glaube da vorne kommt uns jemand entgegen. Vielleicht sollen wir schnell seitlich in den Büschen verschwinden?“
„Zu Spät“, erwiderte Faeel. „Siehst du nicht er hat uns schon gesehen? Er winkt und hält direkt auf uns zu. Was er von uns will?“
„Das werden wir gleich erfahren, ich denke nicht, dass er uns Schwierigkeiten machen kann.“
Der Fremde hatte sie fast erreicht. Er war von großer Gestallt, seine Kleidung flatterte um seine hageren Glieder. Die große Nase erinnerte irgendwie an die Geier, die sich den leblosen Kadavern in der felsigen Einöde annahmen. Sein zerfurchtes Gesicht lies auf ein beträchtliches Alter schließen.
„Meine Gebete wurden erhört, bei Frigg der Totengöttin, meine Gebete wurden erhört“, stammelte der Alte. „Ich bin Lokullus der Gärtner, bitte helft mir. Ich arbeitete gerade daran ein neues Grab auf dem Totenacker von Thur auszuheben. Da gab es in der Krypta einen furchtbar lauten Krach. Irgendetwas muss dort umgefallen und zerbrochen sein. Danach war ein Schluchzen, Heulen und Kratzen zu hören. Als ob ein leibhaftiger Dämon der Hölle darin eingesperrt sei. Jetzt versucht er aus der Gruft herauszukommen. Zum Glück ist die Tür von außen verriegelt. Bitte Herr, tötet das Ungeheuer! Es soll nicht euer Schaden sein. Die Einwohner von Thur haben sich in ihren Häusern verbarrikadiert. Sie werden euch dankbar sein, wenn ihr sie von diesem grausigen Unhold erlöst. Ich bin doch nur ein Gärtner, was soll ich den tun?“
„Beim Henker des Königs, was für eine Geschichte erzählt ihr uns da, Mann?“, fuhr Ekarius den ängstlichen Gärtner an. „Dämonen und Höllenbrut sind Geschichten um alte Weiber zu ängstigen. Sei vorsichtig was du sagst, damit du nicht als Ketzer am Galgen endest. Das Reich hat genügend andere Probleme, die gelöst werden müssen.“
„Aber Herr kommt mit und überzeugt euch selbst“, wimmerte der Alte. „Das Heulen und Klopfen welches aus dem Grabgewölbe dringt kann unmöglich menschlichen Ursprungs sein.
Faeel warf Ekarius einen Blick zu. „Vielleicht sollten wir uns das aus der Nähe ansehen. Du hast sicher keine Furcht vor einem Dämon, oder…?“
Ekarius verdrehte die Augen. „Es gibt keine Dämonen, meine Liebe“, sagt er belustigt.
„Da bin ich mir nicht so sicher“, gab Faeel mit Bedacht zurück. „Nebenbei bin ich nicht deine Liebe, noch nicht…“, fügte sie stichelnd hinzu.
„Na schön, gehen wir der Geschichte auf den Grund.“Ekarius und Faeel trotten hinter dem alten Gärtner in Richtung des Dorfes Thur. Schon nach kurzer Zeit kam die Gräberanlage in Sicht. Eine niedrige Steinmauer umgab die geheimnisvolle Ruhestätte. Das eiserne Tor stand halboffen und gab den Blick auf Reihen kleinerer Grabsteine frei. Im Hintergrund stand ein auffälliges Ehrengrab. Auf seinem Grabstein saß eine geflügelte Frauengestalt mit traurig gesenktem Kopf. Mit der einen Hand hielt sie ein schlankes Schwert, mit der anderen einen Strauß Blumen. Den Steinmetzen war es gelungen die Figur nahezu lebensecht aus dem weißen Gestein herauszuarbeiten.
Im vorübergehen erblickte Faeel die Inschrift: „ Hier ruht Elfiera, bis der Tod uns wieder vereint“. Traurig dachte sie: Welches Unheil musste Elfiera widerfahren sein? Die Melancholie dieses Platzes schien noch existent zu sein. Es fühlt sich an wie durch einen kühlen Nebelschleier zu laufen, kam es Faeel in den Sin.
Im Hintergrund erhob sich das dreieckige Dach der Krypta. Die mächtigen Torflügel, wurden zu beiden Seiten durch rote Granitsäulen flankiert. Rechts und links standen eiserne Feuerschalen in denen das heilige Feuer züngelte.
Weiter in Richtung des Dorfes befand sich das Gotteshaus. Seine bunten Glasfenster stellten einige der sieben alten und der drei neuen Götter von Arin dar. Das imposanteste Fensterbild zeigte Frigg die Totengöttin. Sie geleitete die Seelen gefallener Krieger zu den Plätzen an der Seite ihrer Urahnen.
Vor den Toren der Krypta angekommen sagte Lokullus: „ Wir sind da. Hinter diesem Tor lauert der widerliche Dämon. Ihr müsst diesen stählernen Riegel zurückziehen und das Tor öffnet sich. Ich werde mich im Gotteshaus einschließen und für euch beten.“
Hastig machte sich der Alte auf den Weg. Kurz darauf hörte Ekarius wie das Schloss der schweren Kirchentür zuschnappte.
Faeel lauschte angespannt am Eingang der Gruft, doch drang kein Laut durch das massige Tor nach draußen. „Ich kann nichts hören“, flüsterte sie Ekarius zu.
„Wir müssen das Tor öffnen und nachsehen was den Alten so erschreckt hat“, raunte Ekarius zurück.
Faeel trat mehrere Schritte zur Seite und angelte drei schwarz befiederte Pfeile aus ihrem Köcher heraus. Zwei der Schäfte steckte sie senkrecht in den Boden um sie jederzeit blitzschnell greifen zu können. Mit Sorgfalt hakte sie den dritten Pfeil in ihre Bogensehne ein. Ihre Muskeln spannten sich bis die rechte Hand neben ihrem Kinn zum halten kam. Die Pfeilspitze aus schwarzem Obsidian zielte in die Mitte der beiden Torflügel.
Ekarius hielt Balfang kampfbereit in seiner rechten Hand, während er mit der linken versuchte den Riegel aus der Halterung herauszuziehen. Mit einem kratzenden Geräusch glitt die Sperre zur Seite und das Tor schwenkte einen Spalt breit auseinander. Moderige, kalte Luft flutete ihm entgegen. Mit dem Fuß schob er den Türflügel weit auseinander. Als sich seine Augen an das leichenfahle Licht innerhalb der Gruft angepasst hatten, sah er neben einem geöffneten Steinsarg, den Dämon in einem weißen Totenhemd auf dem Boden sitzen.
Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Blutfelden« (30. Juli 2013, 10:49)