Sobald Charlotte aus der Bibliothek war, richte ich den Stuhl wieder her und lasse mich schwer darauf nieder fallen.
Ich stütze meine Ellenbogen auf die Knie und versenke mein Gesicht in meine Handflächen.
Meine Augen geschlossen haltend, atme ich bewusst ein und aus in der Hoffnung, dass diese Stimmen die von einer längst vergangenen Zeit sprechen, endlich ruhe geben. Doch ohne wirklichen Erfolg.
Frustration beginnt sich langsam in mir auszubreiten und ich werde es dieses Mal nicht soweit kommen lassen und mich meiner Melancholie hingeben!
Ich springe vom Stuhl auf und gehe in aus der Bibliothek hinaus.
Im Flur gehe ich geradewegs die Treppe hinab durch das Eingangstor ins Freie und geradewegs zur Schmiede in der man mir von allen Seiten verwunderte Blicke zu wirft.
Mein Gesichtsausdruck war stur und auf ein scheinbar unsichtbares Ziel gerichtet, was in diesem Fall Thror war der an einem Tisch steht und mit immer größer werdender Befürchtung in sich zusammen sinkt, so als ob ich vorbei gekommen wäre um ihn zu schelten. Ich gehe an ihm vorbei ins Büro und bedeute ihm mit einer Kopfbewegung mit zu kommen und kaum war die Tür hinter uns zu, drehe ich mich zu dem Zwerg um und fixiere ihn.
Ich brauche Zwergenschnaps.
Wie vom Blitz getroffen steht der kleine Mann vor mir mit einem ungläubigen Blick.
Wie bitte?
"Ur"! Zwergenschnaps! Wie viel hast du noch?
Sich langsam wieder sammelnd blinzelt und stammelt Thror und langt sich unbewusst an seinen Gürtel wo sein Flachmann steckt.
Vier Flaschen,... warum denn?
Ich nehme drei davon.
Hey hey hey! Na aber HALLO!
, meint der Zwerg aufbrausend.
Wofür brauchst ausgerechnet DU den?!
Ich will gerade Luft holen um ihm zu erklären, dass ich Erinnerungen zum verdrängen hätte, komme aber gleichzeitig wieder darauf, dass ich ihm von meiner Vergangenheit nie erzählt habe.
Die Frustration wird größer. Meine Schultern beginnen sich unangenehm zu verkrampfen und von meinen an sich immer unsichtbar gehaltenen Flügeln ganz zu schweigen.
Mit Mühe und Not die Ruhe bewahrend betrachte ich Thror dessen Augen neben Verwirrung auch Besorgnis zeigen.
Bitte, Thror,...
Der alte Zwerg kann meinen Verdruss in der Stimme hören und sagt kein einziges Wort mehr. Stattdessen geht er nur zu einem Safe im Büro, öffnet diesen und nimmt eine Flasche
"Ur" heraus die er mir reicht, nachdem er den Safe wieder geschlossen hat.
Es gibt vieles dass ich immer noch nicht weiß von dir alter Mann, zum Beispiel wie es sein kann, dass du so viel von dem Zeug trinken könntest ohne bleibende Schäden davon zu tragen,... Aber ich will nicht daran Schuld sein, wenn man dich Bewusstlos irgendwo vorfindet!... oder Schlimmeres,....
Thrors Blick ist ernst und durchdringend als ich versuche die Flasche aus seiner Hand zu nehmen und er diese noch zurück haltet. Erst als er gemerkt hat, dass die Worte ganz bei mir angekommen sind, lässt er sie los und geht um mich herum.
Vielleicht habe ich mich wirklich übernommen mit diesem Vorhaben?
, denke ich flüchtig.
Danke,... Thror.... Ich verspreche dir ich werde es nicht übertreiben.
Ja,....
, nickt er mehrfach und meint noch bevor er das Büro verlässt.
Besser nicht...!
Gewissensbisse den alten Zwerg mit meinen Problemen zu belästigen dringen in mein Bewusstsein und ich seufze laut auf ehe auch ich aus dem Büro gehe und die Schmiede verlasse.
Kein mir bis dato bekannter Alkohol brachte es zustande mich "gut" fühlen zu lassen und unerwünschte Gedanken zu ignorieren, bis auf Zwergenschnaps.
Doch selbst dieses starke Gebräu wird schnell von meinem Körper verarbeitet, sodass diese Taubheit nach gut drei Stunden verflogen ist.
Draußen auf dem Kiesweg drehe ich mich nach rechts um wieder in den Palast zurück zu gehen, bleibe aber stehen und drehe mich in die andere Richtung.
Nach einem kurzen Moment entscheide ich mich zum See zu gehen und die Flasche "Ur" dort zu genießen.
Auf dem Weg dorthin, begrüßen mich die Angestellten die ich freundlich zurück Grüße, doch weder einer der Boten noch Anuruyn hielten mich auf um mich von meinem Vorhaben weg zu holen und zu Besprechungen oder dergleichen zu zerren, was ich beinahe etwas suspekt fand doch nicht weiter hinterfrage.
Beim See angekommen, schaue ich auf die Uhr. Es war 14 Uhr und die Sonne glitzerte an der Wasseroberfläche.
Ohne darauf zu warten, dass doch noch jemand vorbei kommen könnte, gehe ich zu dem kleinen Häuschen am Ufer, stelle die Flasche dort auf den Tisch auf der Veranda ab und beginne sogleich mich meiner Kleidung zu entledigen. Bevor ich auch den restlichen Stoff von meinem Leib entferne, erschaffe ich sicherheitshalber eine Barriere die die Illusion aufrecht erhaltet, dass niemand hier ist.
Als ich mir ganz sicher war, dass die Barriere aufrecht ist, schnappe ich mir die Schnapsflasche, gehe ins Wasser und schwimme zu der kleinen Insel die in der Mitte des Sees liegt. Im Wasser beginne ich den starken Bannspruch zu lösen, der meine Flügel versteckt haltet und stöhne etwas schmerzerfüllt auf, als sich die drei Flügelpaare komplett ausbreiten, spreizen und strecken.
Bei der Insel angekommen, werfe mir das Haar zurück und mache es mir auf dem weichen Moos unter dem Baum gemütlich, ziehe den Korken aus dem kunstvoll gefertigten Flaschenhals, setze diese an meine Lippen und mit anhaltender Luft, nehme ich einen sehr großzügigen Schluck daraus.
So verweilend, mich immer wieder an diesem zwergischen Gift labend, realisiere ich nicht wie schnell die Zeit vergeht (wie viel ich bereits von dem Gebräu in mir habe) und, dass die Barriere langsam an Wirkung zu verlieren begann.