Zu vorderst. Ich weiß nun nicht, ob diese Geschichte hier rein passt, da sie ursprünglich und eigentlich nichts mit Gondal, deren Länder und den darauf lebenden Geschöpfen zu tun hat.
Viel mehr entstand sie, als ich mal wieder nicht bei meiner (eigentlichen) Hauptgeschichte weiter wusste.
Doch um sie vollständig Beiseite zu legen ist sie wiederum zu schade.
Sollte es euch trotzdem zusagen, dann wünsche ich viel Spaß beim Lesen.
(Und bitte verzeiht. Da sie nur nebenbei Geschrieben wurde/wird, bin ich mit ihr noch nicht allzu weit gekommen. :( )
----
Es war mitten in der Nacht. Schon so war nur wenig zu sehen, doch durch den Bindfaden ähnlichen Regen konnte man froh sein, wenn man noch seine Hand vor Augen erkennen konnte. Nur gelegentliche Laternen warfen Licht und Schatten. In diesem strömenden Regen schlich sich eine Gestalt, die vollkommen in schwarz gekleidet war, die Gassen entlang. Vorsichtig blieb sie an einer Hausecke stehen und lugte um die Ecke. Als nichts zu hören war, lief sie schnell zur gegenüber liegenden Straßenseite, um sich dort, wieder im Schatten der Häuser versteckt, weiter zu laufen. Es war sehr gewagt, überhaupt zu dieser Uhrzeit das Haus zu verlassen. In letzter Zeit streunten nachts viele Diebe und anderes Gesindel durch die Straßen, um nicht eventuell ein paar wehrlose Bürger um etwas Geld oder andere Kostbarkeiten zu erleichtern. Doch es blieb Kardan nichts anderes übrig, als sich nachts auf den Weg zu machen. Er wurde bereits im größten Teil des Landes gesucht. Da wäre es selbstmörderisch, am heiligsten Tage durch die Straßen zu schlendern.
Wieder kam er an einer Hausecke an. Vor im lag eine größere Kreuzung. Und zu seinem missfallen standen genau in der Mitte ein paar Wachmänner, die sich gerade mit jemandem unterhielten.
„Verdammt!“ fluchte Kardan leise. „Können die ihr Kaffeekränzchen nicht wo anders abhalten?“ Vorsichtig schlich er wieder zurück, um einen anderen Weg zu nehmen. Doch Fehlanzeige: An der anderen Ecke des Häuserblockes konnte er eine Stimme und näher kommende Schrittgeräusche vernehmen. Er saß in der Klemme! Was nun? Er hatte zwar einige Möglichkeiten, sich zu retten, doch würden alle einen gewissen Lärm veranstalten, was die sich nähernden Wachmänner nur noch aufmerksamer werden ließe.
Kardan blieb nichts anderes übrig. Er musste auf das Dach des Hauses. Er sah sich verzweifelt um, doch der Regen hinderte ihn daran, irgendetwas zu erkennen, was ihm helfen könnte.
Gerade wollte er das Risiko eingehen und sich auf die Kreuzung schleichen, als er hinter sich ein leises Kratzgeräusch vernahm.
Überrascht drehte er sich um und erblickte eine Kleine Tür, die ihm nur knapp bis zur Brust reichte. Als diese sich jetzt leise öffnete, schien ein sehr leichter Lichtstrahl nach außen. Verdeckt wurde dieser von einer kleineren Gestallt, die Kardan mit der Hand zu sich herwinkte.
„Komm schon! Wenn sie uns jetzt entdecken, stecken wir echt in der Patsche!“ rief ihm die Gestalt leise zu. Kardan dachte nicht noch länger nach, sah noch mal in die beiden Richtungen, wo er die Wachmänner wusste und lief dann gebückt in den kleinen Eingang. Kaum war er drin, wurde die Tür wieder geschlossen. Nicht zu früh. Die Stimmen der sich nähernden Wachmänner waren jetzt sehr deutlich zu hören. Selbst hier drin.
Kardan streckte sich jetzt wieder und sah sich den Ort an, wo er gelandet war. Ein kleiner Raum, der mit einem weiteren verbunden war, in dem die Lichtquelle zu sein schien. Er vernahm Gemurmel und gelegentlich auch etwas Gelächter.
„Komm! Ich bring dich zu den anderen!“ Sagte die kleine Gestalt.
Kardan sah überrascht zu ihr. Er hatte sie schon fast wieder vergessen. Es war noch ein Kind. Ob Mädchen oder Junge konnte Kardan nicht erkennen. Als es den Raum verließ, folgte er ihm und nahm dann seine Kapuze ab, um etwas mehr zu sehen.
Er bemerkte, wie die Geräusche verstummten und sich alle Blicke auf ihn richteten.
„Du bist also Kardan! Der meistgesuchte Mann in diesem Land!“ Sagte ein Mann zu ihm, der langsam auf ihn zukam. Seine Stimme war sehr dunkel „Wenn wir dich ausliefern würden, könnte jeder einzelne von uns ein Jahr lang sorgenfrei leben!“
Kardan zog die Augenbrauen zusammen und legte seine Hand vorsichtig an den griff seines Dolches, den er an seinem Gürtel trug. „Habt ihr mich deshalb hier rein geholt?“
Der Mann schüttelte den Kopf und lächelte dabei. „Nein. Davor brauchst du keine Angst zu haben. Selbst wenn wir es wollten, dann könnten wir unser Grab auch gleich selbst schaufeln und uns hinein legen.“ Der Mann stand jetzt vor Kardan und reichte ihm seine Hand entgegen.
„Mein Name ist Smorge. Wir hier werden alle selbst gesucht. Das hier ist also so was wie ein kleiner Zufluchtsort.“ Während er das sagte, lies er seinen linken Arm im Raum kreisen.
Kardan sah sich um und sah, zu seiner Überraschung, Menschen von jeder Altersgruppe: von kleinen Kindern, die vielleicht gerade mal sieben Jahre zählten, bis hin zu alten Greisen.
„Alle?“ fragte er verwirrt. "Sogar die Kinder?“
„Ja.“ In der Stimme von Smorge klang ein Hauch von Verbitterung mit. „Heutzutage braucht man nur eine Semmel stehlen und schon wird man für Kopfgeld gesucht! Der König meint, dass es so sicherer werden soll. Klar! wenn es irgendwann keine Bewohner mehr in den Dörfern und Städten gibt und alle Gefängnisse und Kerker überfluten vor den angeblichen Verbrechern, wird es sicher sicherer sein. Nur wird das dann niemandem mehr etwa nützen!“
„Du kannst froh sein, dass dich draußen niemand erwischt hat!“ sagte jetzt eine alt Frau, deren schlohweißes Haar mit einem Tuch zum größten Teil verdeckt wurde. „Es ist heutzutage schon ein Verbrechen, sich nachts auf der Straße zu befinden. So war es bei mir. Ich hatte noch bis spät abends bei meiner Arbeit in der Spinnerei gesessen. Und als ich dann im Dunkeln nach hause gehen wollte, wurde ich schon von Wachmännern verfolgt und des Diebstahl angeklagt.“
Kardan sah sich weiter um, als er die Geschichte der Frau gehört hatte. Er wusste ja indessen, dass der neue König eine gewisse Änderung in den Gesetzten vorgenommen hatte. Doch er hatte nicht geahnt, dass es so schlimm stand.
„Hat denn bisher niemand versucht, dem König zu beweisen, dass er unschuldig ist?“ frage Kardan weiter.
„Du bist lustig!“ sagte jetzt ein Mann, der in etwa dasselbe Alter, wie Kardan hatte. „Der König hat doch etliche Leute, die all das für ihn erledigen. Der sagt dann höchstens "Kopf Ab!", wenn der Angeklagte vor ihm steht! Dem ist es völlig egal, ob der vor ihm überhaupt etwas gemacht hat, oder nicht.“
„Was ist das für ein König?“ fragte Kardan entsetzt.